Super-Bowl-Vorschau I | Eine Analyse des Angriffs der Buccaneers
Die Buccaneers und Kansas City Chiefs spielten am 12. Spieltag der Saison gegeneinander. Die Chiefs überrollten den Gegner. 17-0 führten sie nach dem ersten Viertel, WR Tyreek Hill hatte bereits zwei Touchdowns und über 200 Yards erzielt. In der zweiten Halbzeit ließen die Chiefs die Zügel schleifen und die Buccaneers kamen fast noch einmal heran. Knapp, 27-24 verloren sie. Es war die letzte Niederlage der Buccaneers in der Saison. Mit den drei Playoff-Auswärtssiegen haben sie jetzt sieben Spiele am Stück gewonnen.
Angriff der Bucs läuft rund
Der Angriff der Buccaneers ist in Schwung. Tom Brady hat das Deep-Passing-Game von Cheftrainer Bruce Arians fest verinnerlicht. Wenn er die Gelegenheit sieht, tief zu Passen, tut er es sofort, wie der 39-Yard-Touchdown-Pass zu Scotty Miller acht Sekunden vor der Pause im NFC-Championship Game gegen die Green Bay Packers zeigte. Aber Bradys Spiel ist fehleranfälliger als in der Vergangenheit. Drei Interceptions warf er in der zweiten Halbzeit gegen die Packers und hatte Glück, dass Green Bay daraus nur sechs Punkte erzielte.
Licht und Schatten des Deep-Passing-Games
Turnover von Brady und dem Angriff wären Gift im Spiel gegen die Chiefs, die mit Quarterback Patrick Mahomes, mit WR Tyreek Hill und TE Travis Kelce den weit besseren Angriff haben. Wichtig wäre auch, dass die Buccaneers den Ball länger im Angriff halten können als die Chiefs. Über eine Stärkung des Laufspiels und der Etablierung eines Kurzpassspiels könnten sie das erreichen. Aber dies käme einer Änderung der bisherigen Angriffsphilosophie von Bruce Arians gleich. Der 68-Jährige schwört auf die langen Bälle. Und hat auch Tom Brady von seinem Konzept überzeugt. 47 Touchdown-Pässe hat der in den 19 Saisonspielen schon geworfen. Aber auf den zweiten Blick sieht man, dass Brady damit auch Stärken aus seiner Vergangenheit aufgegeben hat, seine oft große Effizienz und niedrige Fehlerquote. Die NFL führte Brady in der Regulären Saison in den „Bad Throws“ an, mit 122. Und im „On-Target-Percentage“, dem Prozentsatz der genauen Würfe, lag er mit knapp 74% an 31. Stelle.
Starkes Running Game wichtig
Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Arians sein Angriffskonzept in den zwei Wochen Vorbereitungszeit auf den Super Bowl komplett umstellen wird – auch wenn das Kurzspassspiel Brady aus 20 Jahren bei New England aus dem Effeff beherrscht, die Bucs-Receiver sind wenig damit vertraut. Die Buccaneers waren 2020 ein Pass-First-Team. Aber im Super Bowl sollten sie das Running Game deutlich häufiger einsetzen als nur zu 35% wie in der Regulären Saison. RB Leonard Fournette hat in den drei Playoffsiegen schon über 300 Angriffsyards und drei Touchdowns erzielt, er ist in Form. Und der eigentliche Stammspieler, Ronald Jones, der in den Playoffs angeschlagen war und weniger spielte, hatte Zeit, eine Oberschenkelverletzung auszukurieren. Viele Läufe von Fournette und Jones sollte es geben, zumal die Chiefs eine schlechte Laufverteidigung haben (#21).
Wer bitte ist Aaron Stinnie? Ein Schlüsselspieler
Einen Schlüssel für den Erfolg hat auch die Offensive Line der Buccaneers in der Hand. Zum einen bei der Etablierung des Laufspiels, bei dem auch Tight End Rob Gronkowski wichtig ist. Er ist immer noch ein hervorragender Blockspieler. Zum anderen bei der Pass Protection. Brady weiß sich mit kleinen Ausweichbewegungen geschickt in der Passing Pocket zu bewegen, aber er ist, vor allem wenn er Druck von vorne bekommt, recht unbeweglich. Hat Brady zuwenig Zeit zum Passen, wird es eng für die Bucs. Dann warf er in der Saison teils wie ein Anfänger, warf gefährliche Seitenpässe und schleuderte den Ball manchmal wie blind über die Mitte. Die Offensive Line schützte Brady diese Saison sehr gut, Brady wurde am drittwenigsten gesackt und beim Gesamtdruck waren Center Ryan Jensen, der besonders starke LG Ali Marpet und die anderen Offensive Linemen die achtbesten in der Liga. Auch in den Playoffs stand Brady wenig unter Druck. Ein Schlüsselduell wird hier Defensive Tackle Chris Jones gegen Right Guard Aaron Stinnie sein, der vor zwei Spielen wegen Verletzung von Alex Cappa in die Startaufstellung rutschte. Chris Jones ist Pro Bowler und gehört zu den besten Defensive Tackles der Liga, der viel Druck von Innen auf die Quarterbacks auszuüben versteht (#3). Stinnie (26) ist ein unerfahrener Ersatzsspieler. In den Playoffs bestritt er seine ersten zwei NFL-Stammspiele überhaupt. Er machte seine Sache bisher erstaunlich gut. Ins Rampenlicht wird Stinnie im Super Bowl gewiss nicht rücken. Aber eines ist klar: wenn Brady ein gutes Spiel hat, dann hat Stinnie seine Aufgabe mit Bravour gelöst.
Top-Receiver in Hülle und Fülle
Bleiben noch die Receiver der Bucs. Antonio Brown hat Kniebeschwerden, es ist noch ungewiss, ob er im Super Bowl auflaufen kann. Aber auch ohne ihn hat Brady talentierte Anspielstationen. Sehr umsichtig verteilte Brady den Ball in der Saison an seine vielen Receiver; an WR Mike Evans und TE Cameron Brate besonders gerne und effizient in der Red Zone (wo die Chiefs sehr schlecht verteidigen), an Chris Godwin, der von der Slot aus vielseitigste WR der Bucs, an Scotty Miller mit gelegentlichen tiefen Bällen und ab und an auch an Rob Gronkowski, der viel seltener als früher angespielt wird, aber der immer noch gefährlich und schlecht zu bremsen ist, wenn er einmal den Ball erhält.
Holen sich die Bucs den zweiten Super Bowl und Brady #7? Keine Turnover zulassen und lange den Ball in den eigenen Reihen halten, wenn das gelingt, stehen die Chancen nicht schlecht.